[Bundeshaushalt 2025] Gemeinsame Erklärung "Demokratie schützen – Sozialstaat erhalten"
21. Juni 2024
Wer den Sozialstaat schwächt, verschärft die gesellschaftliche Spaltung und gefährdet den Zusammenhalt
Deutschland ist ein demokratischer Sozialstaat. Die Sozialstaatsklausel steht für gute Arbeit, soziale Sicherheit und eine
gute Daseinsvorsorge. Der Sozialstaat ist gleichzeitig Garant für eine demokratische, freie und vielfältige Gesellschaft.
Der Sozialstaat schützt die Menschen vor Risiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit und unterstützt
Menschen mit Behinderungen. Er muss insbesondere Kinder und Alte vor Armut schützen und allen Bürgerinnen und
Bürgern die gleichen Bildungs- und Aufstiegschancen bieten - gleich welcher Herkunft sie sind. Mit einer sozial gerechten
Steuerpolitik müssen Wohlhabende und Reiche stärker belastet und diejenigen, die weniger haben, mehr entlastet
werden. Das trifft auch auf die hohen Kosten des Klimaschutzes zu, sie müssen sozial ausgeglichen verteilt werden.
Der Sozialstaat muss für bezahlbaren Wohnraum und bezahlbare Mobilität mit guter Qualität für alle sorgen sowie
die Rechte von Arbeitnehmer*innen stärken, damit sie ihre Arbeits- und Lebensbedingungen selbstbestimmt gestalten
können. Der starke Sozialstaat sorgt sowohl für gut ausgebildete Beschäftigte als auch für eine leistungsfähige physische
und soziale Infrastruktur und schafft so die Voraussetzungen für Wachstum, soziale Gerechtigkeit und Fortschritt. Wir
brauchen eine starke gemeinnützige und öffentliche Vielfalt an sozialen Hilfen in Stadt und Land.
Mit den drohenden Kürzungen im Bundeshaushalt 2025 läuft die Bundesregierung Gefahr, den Sozialstaat zu schwächen.
So ist zu befürchten, dass notwendige finanzielle Mittel für Ausbau und Qualität in der Kindertagesbetreuung,
gegen Kinderarmut, für sozialen Wohnungsbau oder die Verkehrswende künftig fehlen. Kürzungen bei den Bundeszuschüssen
für die gesetzliche Rentenversicherung schließt die Ampel-Koalition aktuell nicht aus. Auch sollen Zuschüsse
des Bundes an die gesetzliche Krankenversicherung und Pflegeversicherung nicht im erforderlichen Umfang fließen. Bei
der Krankenhausstrukturreform will der Bund seinen Finanzierungsanteil auf die gesetzlichen Versicherten abwälzen.
Auch Finanzmittel für das Bürgergeld, die öffentliche Weiterbildung, die Arbeitsmarktpolitik, die Demokratieförderung,
die Freiwilligendienste, die Migrationsberatung, den Kultursektor, den Ausbau von Barrierefreiheit und die Entwicklungszusammenarbeit
werden von der Bundesregierung in Frage gestellt. Die Sparvorhaben bedrohen den gesellschaftlichen
Zusammenhalt. Das gefährdet auch die Arbeit von Vereinen und Organisationen, die in den Bereichen Soziales, Kultur
und Sport demokratisches Engagement und soziale Teilhabe fördern. Die Sparvorhaben bedrohen damit den gesellschaftlichen
Zusammenhalt. Das ist für die unterzeichnenden Organisationen und Verbände nicht hinnehmbar.
In Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche, Krisen und großer Unsicherheit brauchen wir mehr und nicht weniger soziale
Sicherheit und soziale Infrastruktur, Gemeinsinn und Perspektiven. Gute Arbeit, soziale Sicherheit und eine gute Daseinsvorsorge,
die Teilhabe für alle Menschen garantiert, wirken nachhaltig gegen Rechtsextremismus und die soziale Spaltung
der Gesellschaft.
Wir fordern von der Bundesregierung im Detail:
• Die Stabilisierung der Pflegeversicherung, damit Menschen in Würde altern können - versicherungsfremde Leistungen
und pandemiebedingte Aufwände sind auszugleichen. Pflegende Angehörige und Zugehörige brauchen
mehr Unterstützung, beispielsweise durch eine Lohnersatzleistung.
• Die Sicherung einer qualitativ guten, wohnortnahen gesundheitlichen Versorgungsstruktur, inklusive der Krankenhausversorgung.
Also auch eine Krankenhausstrukturreform, die eine gute Gesundheitsversorgung für die
Menschen vor Ort sicherstellt. Das erfordert ein finanzielles Sofortprogramm. Diese gesamtgesellschaftliche
Aufgabe muss hinreichend aus Steuermitteln von Bund und Ländern gemeinsam finanziert werden.
• Die auskömmliche Refinanzierung der gemeinnützigen sozialen Infrastruktur, insbesondere der Leistungen der
Freien Wohlfahrtspflege und Unterstützung für nachhaltige Investitionen in diese tragende Säule sozialer Sicherheit
und Versorgung.
• Ein Investitionsprogramm für den Ausbau von Kitaplätzen und bundesweite Qualitätsstandards in den Kitas, an
denen sich der Bund finanziell beteiligen muss. Zudem müssen rd. 3 Millionen Kinder und Jugendliche endlich
durch eine Kindergrundsicherung aus der Armutsfalle befreit und ihr Recht auf Bildung und Teilhabe gesichert
werden. Es bedarf einer verlässlichen Finanzierung für die Zukunft der Bildung und Entwicklung von Kindern
und Jugendlichen.
• Stärkerer Ausbau des sozialen Wohnungsbaus in Höhe von jährlich mind. 100.000 Wohnungen sowie eine längere
Preis- und Belegungsbindung für Sozialwohnungen, die aus der Bindung fallen. Zudem brauchen wir eine
stärker ausgebaute Wohngemeinnützigkeit.
• Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Erhalt, Sanierung und barrierefreien Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur
sowie für die finanzielle Ausgestaltung des Ausbau-Modernisierungspakts für den ÖPNV. Hinzu kommen Mittel
für die Erhöhung der Personalkosten bei einer gewünschten Verdopplung der Fahrleistung.
• Es muss sichergestellt werden, dass die Kommunen ihrer zentralen Aufgabe in der Daseinsvorsorge nachkommen
können. Dafür ist eine bessere Finanzausstattung der Kommunen notwendig. Nur so lässt sich eine resiliente,
bedarfsgerechte soziale und physische Infrastruktur vor Ort finanzieren und gestalten. Zudem bedarf es einer
Altschuldenregelung für überschuldete Kommunen.
• Die Einführung eines sozial gestaffelten Klimageldes und einer sozial gestaffelten Förderung von Klimaschutzmaßnahmen,
die verhindern, dass der steigende CO2-Preis und Klimapolitik zu sozialen Verwerfungen insb. bei
ärmeren Haushalten führt. Ohne sozialen Ausgleich verliert die zwingend erforderliche Klimapolitik die Unterstützung
in der Bevölkerung.
• Einen Verzicht auf Kürzungen bei der Eingliederungshilfe im SGB II. Arbeitsmarktintegration darf nicht daran
scheitern, dass den Vermittler*innen in den Jobcentern Steine in den Weg gelegt werden. Die bestehenden Eingliederungsmaßnahmen
in Kooperation mit sozialen Trägern helfen besonders Menschen mit Integrationshemmnissen
ihren Weg in Arbeit zurückzufinden.
• Eine verlässliche, nachhaltige Finanzierungszusage für die Strukturen der Migrationsberatung, Asylverfahrensberatung
und der psychosozialen Zentren für Geflüchtete. Eine offene Einwanderungsgesellschaft und die Integration
von Migrant*innen und Geflüchteten in Gesellschaft und Arbeitsmarkt ist nur mit bundesweit ausreichenden
Beratungsangeboten zu leisten.
• Planungssicherheit für die Freiwilligendienste. Derzeit werden Bundesmittel für die Freiwilligendienste nur
jährlich bewilligt – doch die Dienste werden in der Regel überjährig angeboten. Es muss ein mehrjähriger
Finanzierungsrahmen vereinbart werden, der es jedem jungen Menschen ermöglicht, einen Freiwilligendienst zu
absolvieren – unabhängig von seiner sozialen Herkunft.
Statement für SWR-Fernsehen zum Papier „Sozialversicherungen – Ab in die
Zukunft“ von Markus Reichel MdB und Kai Whittaker MdB
16. August 2023
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/cdu-politiker-revolution-bei-rente-100.ht
Ab Minute 1:28 kommentiert Jendrik Scholz vom DGB Baden-Württemberg und Bündnispartner des Bündnisses gegen Altersarmt im SWR-Fernsehen den Vorschlag des Rastatter CDU-Bundestagsabgeordneten Kai Whittaker, zukünftig auch Selbständige in die Sozialversicherung einzubeziehen und auch auf Kapitalerträge Sozialversicherungsbeiträge zu erheben.
- Der Vorschlag der beiden CDU-Abgeordneten beinhaltet wenig Licht und viel
Schatten
WENIG LICHT:
- Er beinhaltet Licht, weil zukünftig auch die Selbständigen als
Beitragszahler in die Sozialversicherung geholt werden sollen;
- Gut ist, dass die CDU sich jetzt auch für eine Erhöhung der
Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung starkmacht, damit
auch Spitzenverdiener fairer beteiligt werden können;
- Wir brauchen eine Stärkung und Verbreiterung der Einnahmeseite unserer
Sozialversicherung, um beispielsweise ein höheres Rentenniveau,
Zahnersatz und eine menschenwürdigere Pflege zu finanzieren
VIEL SCHATTEN:
- Schatten beinhaltet der CDU-Vorschlag, weil insbesondere die Arbeitgeber
parallel bei ihren Sozialversicherungsbeiträgen stark entlastet werden
sollen;
- Dies würde neue Lücken in die Sozialkassen reißen, so dass bei Rente,
Gesundheit und Pflege weitere Leistungsabsenkungen drohen würden;
- Die beiden CDU-Abgeordneten wollen auch die Unternehmens – und
Erbschaftssteuern weitgehend abschaffen. Dies würde allein den Profiten
der Unternehmer und den reichen Erben nützen, aber nicht dem
Allgemeinwohl;
- Wir brauchen aber dringend eine höhere und wirksamere Erbschafts- und -
Vermögensbesteuerung, auch, um mit zusätzlichen Bundeszuschüssen
unsere Sozialversicherungssysteme im demografischen Wandel zu stützen und
robuster zu machen
FAZIT:
- Die CDU blinkt zunächst links, um dann rechts abzubiegen: Sie will unsere
Sozialsysteme auf Diät setzen, so dass dort Kürzungen und
Niveauabsenkungen drohen
- In einer echten Bürgerversicherung sollen neben Arbeitgeber- und
Arbeitnehmerbeiträgen zusätzliche Beiträge auf Kapitaleinkünfte und
Mieteinnahmen erhoben werden. Ansonsten handelt es sich um ein
Nullsummenspiel, das keine wirklichen Verbesserungen bringt
- In Wirklichkeit geht es der CDU mit ihrem Vorschlag um eine Senkung der
Arbeitskosten, um die Profite der Unternehmer zu stärken
jendrik.scholz@dgb.de, 15.8.2023
Schulprojekt Experteninterview Altersarmut - Beteiligung des Bündnisses gegen Altersarmut
Stuttgart, Juni 2023
Altersarmut in Deutschland - Lebenslanges Arbeiten wofür? (It.Schule Stuttgart 2023)
Film auf YouTube (einfach auf das Bild oder den Link klicken)
So hilft der Verein Silberstreif in Landau bei Altersarmut und gegen Vereinsamung
Stuttgart, Juni 2023
So hilft Silberstreif bei Altersarmut und Vereinsamung - Landesschau Rheinland-Pfalz - SWR Fernsehen
Bewertung des Koalitionsvertrages von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP
Stuttgart, 20. Dezember 2021
Als Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg haben wir uns vor der Bundestagswahl positioniert und aufgezeigt, welche politischen Maßnahmen gegen soziale Ungleichheit und prekäre Lebensverhältnisse sowie für eine armutsfeste Alterssicherung aus unserer Sicht notwendig sind. Am 7. Dezember haben SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP ihren Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen - Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ unterzeichnet. Der vorliegende Koalitionsvertrag enthält viele positive Punkte und Projekte, die zu strukturellen Verbesserungen für Menschen in Armutslagen führen. Wir wünschen uns eine zügige und ambitionierte Umsetzung dieser Vorhaben, wie der Kindergrundsicherung, der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro, des gemeinnützigen Wohnbaus oder auch der Verbesserungen für erwerbsgeminderte Rentner*innen. Allerdings erkennen wir auch Leerstellen und Nachbesserungsbedarf im Hinblick auf sozialpolitische Reformvorschläge, die Menschen vor Armut im Lebensverlauf und besonders im Alter schützen. Hier appellieren wir an die Regierungsfraktionen, in der Legislaturperiode weiterhin notwendige Reformen - wie etwa die Gestaltung einer zukunfts- und armutsfesten Rentenversicherung - proaktiv anzugehen.
Als Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg werden wir die Umsetzung der sozialpolitischen Ziele der neuen Bundesregierung kritisch fordernd und konstruktiv begleiten.
In einem ersten Überblick legen wir daher folgende Bewertung zu den für uns relevanten Politikfeldern im Koalitionsvertrag vor:
Bewertung zu Rente und Altersarmut
Altersarmut bleibt bestehen – keine Perspektive für Geringverdiener/Mindestlohnbeschäftigte
Für Menschen mit fragmentierten Erwerbsbiografien bzw. mit Beschäftigungsverhältnissen im Mindestlohnsektor ist der Koalitionsvertrag kein Fortschritt und auch kein Bündnis für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Der Koalitionsvertrag unternimmt keinerlei Anstrengungen, das Verhältnis von Äquivalenzprinzip und Solidarprinzip neu zu gewichten. Geringverdienende Menschen sollen sowohl in der Erwerbsphase als auch in der Rentenphase ihres Lebens auf das Fürsorgesystem angewiesen sein. Dies ist für unser reiches Land nicht hinnehmbar. Das Mindestrentenniveau hilft den von Altersarmut gefährdeten Menschen nicht und die Koalition hat sich durch die Festlegung des Beitragssatzes auf nicht mehr als 20 Prozent selbst Fesseln angelegt. Ob ein neues kapitalmarktabhängiges Produkt die Erwartungen erfüllt, steht in den Sternen. Selbst Mindestlohnbeschäftigte mit nun bald 12 Euro Stundenlohn haben kaum Geld übrig, um es hier zu investieren und bleiben im Alter auf das Fürsorgesystem angewiesen. Auch die Ausweitung der Einkommensgrenzen für Mini-Jobs auf 520 Euro ist völlig verfehlt und verfestigt einen sozial nicht abgesicherten Arbeitsmarkt - und das vor allem für Frauen. Positiv hervorzuheben ist, dass es für Erwerbsminderungsrentner*innen im Bestand Verbesserungen geben soll. Ebenso sollen arbeitende Strafgefangene in das Rentensystem aufgenommen werden. Aber warum nimmt man nicht Menschen im SGB II-Bezug wieder in das System auf? Bedauerlich ist, dass das Thema Altersarmut ansonsten im Koalitionsvertrag wenig Beachtung findet und die neue Koalition versucht, für vier Jahre vor den Problemen der Altersarmut abzutauchen. Das wird ihr nicht gelingen! Bei der Vorsorge für von Altersarmut gefährdete Menschen ist leider keine Perspektive vorhanden – ein Armutszeugnis für die neue Koalition.
Bewertung zu Pflege
Die verschiedenen Maßnahmen zur besseren Pflege und zur Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe sind gut, aber nicht ausreichend finanziert. Positiv sind z.B. die Unterstützung des Ausbaus der Tages- und Nachtpflege sowie der solitären Kurzzeitpflege und die Dynamisierung des Pflegegeldes. Eine verbindliche Personalbemessung im Krankenhaus und der beschleunigte Ausbau der Personalbemessungsverfahren in der Langzeitpflege begrüßen wir, sie dürfen jedoch nicht zu weiter steigenden Eigenanteilen in der Pflege führen. Immer mehr Menschen sind auf Hilfe zur Pflege angewiesen. Die angestrebte Stabilisierung des Eigenanteils ist nicht ausreichend. Die Übertragung der Behandlungspflege an die GKV mit pauschalem Finanzausgleich sowie die Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen wie z.B. die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige sind richtig. Fraglich ist, ob sie in diesem Umfang ausreichend für eine bedarfsgerechte Pflege sind. Die Aufrechterhaltung der Trennung von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung ist unsolidarisch: Die Privaten versichern überwiegend junge und gesunde Menschen und verfügen aktuell über mehr als 36 Mrd. Euro an Rücklagen. Um den Pflegenotstand zu beseitigen, wird dieses Geld dringend benötigt. Wir bedauern, dass die Koalition keine Renditeobergrenze für Investmentfirmen in der Pflege einführt. Kritisch sehen wir den Vorschlag einer freiwilligen Pflegevollversicherung, den sich nicht alle Menschen leisten können.
Bewertung zu Chancengerechtigkeit/Kindergrundsicherung
Die Kindergrundsicherung, die das Existenzminimum von Kindern unbürokratisch und aus einer Hand sichert, ist im Koalitionsvertrag konkret verankert. Das ist ein gutes Signal. Bei getrennten Eltern ist sicher zu stellen, dass die Kindergrundsicherung dort ankommt, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat. Bis zur Einführung muss der Sofortzuschlag für Kinder und Jugendliche in den ersten 100 Tagen umgesetzt werden.
Bewertung zu Wohnen
Die Wohnkosten sind für viele Senior*innen ein zunehmendes Armutsrisiko. Für Mieter*innen sind im Koalitionsvertrag keine nachhaltigen Regelungen im Mietrecht für einen wirksamen Schutz enthalten. Anstatt Mietenwucher effektiv zu begrenzen oder die Mietpreisbremse nachzuschärfen, wurde ledig¬lich die minimale Absenkung der Kappungsgrenze in angespannten Wohnungsmärkten von 15 auf 11 Prozent beschlossen. Eine effektive Begrenzung der Mietpreistreiberei und der Verdrängung auf den deutschen Wohnungsmärkten wird damit nicht möglich. Die Mietpreisbremse wird weiterhin durch viele Ausnahmen kaum wirken und die bestehenden Umwandlungs- und Kündigungsschutzregelungen bleiben weiter lückenhaft. Wir begrüßen, dass ein Ministerium für Wohnen und Bauen eingerichtet wurde. Kritisch ist, dass mindestens bis zum 1. Juni 2022 der volle CO2-Preis für fossile Heizanlagen von Mieter*innen gezahlt werden muss, obwohl die Lenkungswirkung bei der Umstellung auf klimafreundliche Heizungen ausschließlich beim Vermieter erzielt werden kann. Besonders Menschen in schlecht isolierten Wohnungen sind überproportional von dieser unfairen Kostenverteilung und den Energiepreissteigerungen betroffen. Die Prüfung eines Teilwarmmietenmodells, in dem die wohnkostentreibende Modernisierungsumlage aufgehen soll, ist grundsätzlich zu begrüßen. Bei enormen Energiekostensteigerungen in dieser Heizperiode muss das Wohngeld schnell gestärkt und ein einmaliger Heizkostenzuschuss gezahlt werden.
Forderungspapier für den Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
Stuttgart, 26. Oktober 2021
Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben begonnen.
In Anknüpfung an unsere digitale Veranstaltung des Bündnisses gegen Altersarmut Baden-Württemberg am 26. August 2021 möchten wir uns in diesen Prozess konstruktiv einbringen. https://youtu.be/LRSeK5eT8ww
Wir fordern, dass sich die künftige Bundesregierung mit voller Aufmerksamkeit der Beseitigung von Armut im Alter widmet. Ziel muss es sein, eine gute Versorgungslage im Alter sicherzustellen und dabei die Lebenslage, insbesondere für die akut von Altersarmut Betroffenen und Bedrohten, zu verbessern. Hier bedarf es einer klaren bundespolitischen Strategie, die wirksame Rahmenbedingungen zur Prävention festlegt und flächendeckende Maßnahmen gegen die Auswirkungen von akuter Armut im Alter ergreift.
In unserem Bündnis-Positionspapier haben wir bereits ausgeführt, welche gezielten Maßnahmen in verschiedenen Bereichen notwendig sind, um die Lebenslage der Betroffenen spürbar zu verbessern. Manche Punkte wurden bereits positiv im Sondierungspapier aufgenommen. Einiges allerdings vermissen wir oder sehen Verbesserungsbedarf.
Alterssicherung und Rente
Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg fordert
Bezahlbares Wohnen und Wohnraummangel
Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg fordert
Bildung und Chancengerechtigkeit für alle Kinder
Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg fordert
Gute Arbeit
Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg fordert
Pflege
Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg fordert
Wir, ein breites Bündnis aus Sozialverbänden, Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen in Baden-Württemberg, warnen vor dramatischen Verschlechterungen in der Altersversorgung der Menschen in Deutschland. Bereits heute beobachten wir mit Sorge, dass die Armut im Alter zunimmt. Wir haben uns deshalb zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um uns gemeinsam und mit anderen Organisationen und Bündnissen für eine Altersversorgung einzusetzen, die zu einem Leben in Würde reicht. Wir machen uns dafür stark, Armut im Alter im reichen Deutschland wie in Baden-Württemberg zu verhindern.
Das gesetzliche Rentensystem ist Ausdruck unserer Solidargemeinschaft, das als zuverlässiges Instrument eine integrierende Wirkung entfaltet. Deren Legitimität wird aber zusehends in Frage gestellt, da sie den Lebensstandard im Alter und bei eingeschränkter Erwerbsfähigkeit in der Regel nicht mehr wahren kann. Dass die Renten vieler Menschen schon in näherer Zukunft nicht mehr ausreichen werden, um ein Leben in Würde nach einem arbeitsreichen Leben führen zu können, ist ein Skandal. Die zukunftssichere Gestaltung der Rentenversicherung ist notwendig und möglich. Denn der Reichtum unserer Gesellschaft speist sich nicht nur aus der wirtschaftlichen Wertschöpfung, sondern auch aus den sozialen Errungenschaften unserer Solidargemeinschaft.
Altersarmut droht sich strukturell weiter zu verfestigen. Bereits heute müssen wir feststellen, dass in Deutschland wie in Baden-Württemberg die Armutsgefährdung der Älteren im stärker ansteigt. Einige Personengruppen wie etwa ältere Menschen mit Behinderung sind besonders betroffen. Auch ist jede fünfte Frau von Altersarmut bedroht. Altersarmut hat viele Gesichter! Wir begegnen ihnen in unserer alltäglichen Arbeit und erleben die individuellen Folgen und sozialen Auswirkungen. Armut im Alter ist aus verschiedenen Gründen besonders. Sie ist meist unumkehrbar und trifft eine Altersgruppe, die insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender körperlicher und/oder geistiger Einschränkungen besonders verletzlich und versorgungsbedürftig ist. Wir sehen dringenden politischen Handlungsbedarf.
Wir fordern eine gute Versorgung im Alter für alle Menschen. Wir sind überzeugt, dass folgende Maßnahmen, die die Lage einkommensschwacher und armutsbedrohter Menschen im Alter verbessern, sich positiv auf die Möglichkeiten aller Senior*innen, sowie für unsere Gesellschaft als Ganzes auswirken.
Alterssicherung und Rente
Wir als Bündnis gegen Altersarmut Baden-Württemberg fordern eine Stärkung der gesetzlichen Rente als erste Säule der Altersversorgung. Das Rentenniveau muss dauerhaft bei mindestens 50 Prozent stabilisiert und perspektivisch wieder angehoben werden. Die Renten müssen entsprechend den Löhnen steigen. Auch müssen alle für ihre Erziehungsleistung drei Rentenpunkte erhalten, unabhängig davon, wann ein Kind geboren wurde. Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, benötigen eine gute Absicherung. Die Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten von bis zu 10,8 Prozent müssen abgeschafft werden. Außerdem müssen Rentenleistungsverbesserungen für Neu- und Bestandsrentner*innen gelten. Die Grundrente ist ein erster wichtiger Schritt gegen die wachsende Altersarmut, doch lässt die Bundesregierung viele Menschen und gerade Frauen und Erwerbsminderungsrentner*innen im Regen stehen. Die Schwächung der gesetzlichen Rente geht auch zulasten der jungen Generation. Daher sind versicherungsfremde Leistungen durch alle Steuerzahlenden zu finanzieren. Dazu gehören beispielsweise die Mütterrente und die abschlagsfreie Rente mit 63. Für eine generationengerechte und armutssichere Altersrente muss die gesetzliche Rente langfristig zu einer Erwerbstätigenversicherung, in die ausnahmslos alle Erwerbstätigen einzahlen, ausgebaut werden.
Wir fordern deshalb:
Menschenrecht Wohnen muss sicher und bezahlbar sein
Die Wohnung ist für alle Menschen ein unverzichtbares Versorgungsgut. Sie ist Lebensmittelpunkt, ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe und die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Für Senior*innen hat eine angemessene und leistbare Wohnung besondere Bedeutung, weil sie selbstbestimmtes Leben im Alter ermöglicht.
Weil seit vielen Jahren der Wohnungsneubau weit hinter dem Bedarf herhinkt, sind insbesondere in den Städten bezahlbare Wohnungen zur Mangelware geworden. Die Mietpreise explodieren. Für immer mehr Menschen wird Wohnen zu einem Armutsrisiko.
Wohnen ist ein Menschenrecht. Der Markt kann keine angemessene, bezahlbare Wohnraumversorgung gewährleisten. Deshalb ist ein grundlegender Kurswechsel in der Wohnungspolitik erforderlich: Der Staat muss künftig seine Rolle in der Daseinsvorsorge auf den Wohnungsmärkten deutlich aktiver wahrnehmen und dafür sorgen, dass eine dauerhafte, bezahlbare Versorgung für ALLE gesichert wird!
Wir fordern deshalb:
Bildung und Chancengerechtigkeit für alle Kinder
Kinder armer Eltern haben ein vielfach höheres Risiko als ihre Altersgenoss*innen später selbst von Armut betroffen zu sein, oder ganz konkret: Armut wird vererbt. Erwerbslose, Familien mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende und Haushalte mit mehr als drei Kindern sind besonders armutsgefährdet. Gute Bildung und Chancengerechtigkeit sind der Schlüssel für einen Ausstieg aus der Armutsspirale. Das vielzitierte Aufstiegsversprechen muss eingelöst werden, wenn ein Leben und ein Lebensabend in Armut verhindert werden soll. Doch nach wie vor ist der Bildungserfolg in Deutschland stark von der sozialen Herkunft abhängig. Wir dürfen aber kein Kind zurücklassen!
Wir fordern deshalb:
Gute Arbeit
Auch sechs Jahre nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat Deutschland noch immer einen der größten Niedriglohnsektoren Europas und es gibt immer noch zu viel prekäre Beschäftigung: Minijobs, sachgrundlose Befristungen, unfreiwillige Teilzeitarbeit oder Arbeit auf Abruf, Missbrauch von Leiharbeit, Werkverträgen und Crowdwork erschweren Millionen Menschen eine verlässliche Lebensplanung und berufliche Entwicklung.
Die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen haben deutlich vor Augen geführt, dass prekär Beschäftigte unmittelbar existenziell bedroht sind.
Anerkennung braucht nicht nur Applaus, sondern vor allem eine gute Bezahlung nach Tarif.
Tarifverträge schaffen soziale Sicherheit, Rechtssicherheit und bilden die Gestaltungsgrundlage für Arbeitsbeziehungen. Sie fördern außerdem fairen Wettbewerb und helfen bei der Gewinnung von qualifizierten Fachkräften.
Die Tarifbindung ist weiterhin rückläufig. Bundesweit waren 2019 nur noch 53 Prozent der Beschäftigten in den alten Bundesländern und 45 Prozent der Beschäftigten in den neuen Bundesländern in Betrieben mit Tarifvertrag beschäftigt. In einzelnen Branchen ist sie noch geringer. Dabei stärkt Tarifbindung die öffentliche Hand, die Sozialkassen und die Kaufkraft in erheblichem Umfang.
Jedes Jahr geben der Bund, die Länder und Kommunen rund 450 Milliarden Euro für die öffentliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen aus. Rund 12 Prozent aller öffentlichen Aufträge werden vom Bund, 30 Prozent von den Ländern und knapp 60 Prozent von den Kommunen vergeben. Bund und Land müssen die Vergabe öffentlicher Aufträge an gute, tarifliche Bezahlung knüpfen und nicht mit Steuergeldern Lohndumping unterstützen.
Wir fordern deshalb:
Pflege
Steigende Kosten der Pflege überfordern immer mehr pflegebedürftige Heimbewohner*innen. Denn sie müssen mit den nicht gedeckten pflegebedingten Kosten, den Kosten für Unterkunft und Verpflegung, den Investitionskosten und der Ausbildungsumlage den größten Teil selbst bezahlen, durchschnittlich 2.068 Euro pro Monat im Bundesschnitt. Hier wird mit dem Sockel-Spitze-Tausch schon ein Modell diskutiert, demzufolge Pflegeheimbewohner*innen einen geringeren Betrag zu zahlen haben (Sockel) und alle weiteren Kosten von der Pflegeversicherung zu bezahlen sind (Spitze). Ein erster Schritt in die richtige Richtung. In einem zweiten Schritt ist der Ausbau zur Pflegevollversicherung
notwendig, um die weiter steigende finanzielle Überforderung zu verhindern. Zudem sind die Investitionskosten in voller Höhe von den Ländern zu finanzieren. Außerdem bedarf es höherer Löhne und besserer Arbeitsbedingungen in der Pflege, doch dürfen steigende Personalkosten nicht einseitig den Pflegebedürftigen aufgebürdet werden. Darüber hinaus gilt es, pflegende Angehörige zu entlasten: Beruf und Pflege müssen besser vereinbar sein. Es braucht zudem eine automatische jährliche Anpassung der Pflegeversicherungsleistungen, um eine bezahlbare und würdevolle Pflege für die steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen zu gewährleisten.
Wir fordern deshalb:
Buendnispositionspapier_BTW_22-06-21.pdf
Forderungspapier für den Koalitionsvertrag zwischen Bündnis 90/Die Grünen und CDU
Stuttgart, 7. April 2021
Baden-Württemberg hat gewählt.
Bündnis 90/Die Grünen und CDU haben beschlossen, in Koalitionsverhandlungen einzutreten. In Anknüpfung an unsere Bündnis-Veranstaltung vom 2. Februar 2021 möchten wir uns in diesen Prozess konstruktiv einbringen.
Wir fordern, dass sich die künftige Landesregierung mit voller Aufmerksamkeit der Beseitigung von Armut im Alter widmet. Ziel muss es sein, eine gute Versorgungslage im Alter sicherzustellen und dabei die Lebenslage, insbesondere für die akut von Altersarmut Betroffenen und Bedrohten, zu verbessern. Hier bedarf es einer klaren landespolitischen Strategie, die wirksame Rahmenbedingungen zur Prävention festlegt und flächendeckende Maßnahmen gegen die Auswirkungen von akuter Armut im Alter ergreift.
Wie wir in unserem Bündnis-Positionspapier ausführen, sind gezielte Maßnahmen in verschiedenen Bereichen notwendig, um die Lebenslage der Betroffenen spürbar zu verbessern. Weiterhin ist die Landesregierung aufgefordert, nach 2015 einen zweiten umfassenden Armuts- und Reichtumsbericht für Baden-Württemberg vorzulegen und darin das Thema Altersarmut als Schwerpunkt zu bearbeiten.
Bezahlbares Wohnen und Wohnraummangel
Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg fordert
Bildung und Chancengerechtigkeit
Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg fordert
Gute Arbeit
Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg fordert
Pflege
Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg fordert
Rente
Das Bündnis gegen Altersarmut in Baden-Württemberg fordert
Stuttgart, Februar 2021
Wir, ein breites Bündnis aus Sozialverbänden, Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen in Baden-Württemberg, warnen vor dramatischen Verschlechterungen in der Altersversorgung der Menschen in unserem Bundesland. Bereits heute beobachten wir mit Sorge, dass die Armut im Alter zunimmt. Wir haben uns deshalb zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um uns gemeinsam und mit anderen Organisationen und Bündnissen für eine Altersversorgung einzusetzen, die zu einem Leben in Würde reicht. Wir machen uns dafür stark, Armut im Alter im reichen Baden-Württemberg zu verhindern.
Das gesetzliche Rentensystem ist Ausdruck unserer Solidargemeinschaft, das als zuverlässiges Instrument eine integrierende Wirkung entfaltet. Deren Legitimität wird aber zusehends in Frage gestellt, da sie den Lebensstandard im Alter und bei eingeschränkter Erwerbsfähigkeit in der Regel nicht mehr wahren kann. Dass die Renten vieler Menschen schon in näherer Zukunft nicht mehr ausreichen werden, um ein Leben in Würde nach einem arbeitsreichen Leben führen zu können, ist ein Skandal. Die zukunftssichere Gestaltung der Rentenversicherung ist notwendig und möglich. Denn der Reichtum unserer Gesellschaft speist sich nicht nur aus der wirtschaftlichen Wertschöpfung, sondern auch aus den sozialen Errungenschaften unserer Solidargemeinschaft.
Altersarmut droht sich strukturell weiter zu verfestigen. Bereits heute müssen wir feststellen, dass in Baden-Württemberg die Armutsgefährdung der Älteren kontinuierlich ansteigt und mittlerweile deutlich über der durchschnittlichen Armutsgefährdung aller Menschen im Land liegt. Einige Personengruppen wie etwa ältere Menschen mit Behinderung sind besonders betroffen. Auch ist jede fünfte Frau von Altersarmut bedroht. Altersarmut hat viele Gesichter! Wir begegnen ihnen in unserer alltäglichen Arbeit und erleben die individuellen Folgen und sozialen Auswirkungen. Armut im Alter ist aus verschiedenen Gründen besonders. Sie ist meist unumkehrbar und trifft eine Altersgruppe, die insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender körperlicher und/oder geistiger Einschränkungen besonders verletzlich und versorgungsbedürftig ist. Wir sehen dringenden politischen Handlungsbedarf.
Wir fordern eine gute Versorgung im Alter für alle Menschen. Wir sind überzeugt, dass folgende Maßnahmen, die die Lage einkommensschwacher und armutsbedrohter Menschen im Alter verbessern, sich positiv auf die Möglichkeiten aller Senior*innen, sowie für unsere Gesellschaft als Ganzes auswirken.
Alterssicherung und Rente
Wir als Bündnis gegen Altersarmut Baden-Württemberg fordern eine Stärkung der gesetzlichen Rente als erste Säule der Altersversorgung. Das Rentenniveau muss dauerhaft bei mindestens 50 Prozent stabilisiert und perspektivisch wieder angehoben werden. Die Renten müssen entsprechend den Löhnen steigen. Auch müssen alle für ihre Erziehungsleistung drei Rentenpunkte erhalten, unabhängig davon, wann ein Kind geboren wurde. Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, benötigen eine gute Absicherung. Die Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten von bis zu 10,8 Prozent müssen abgeschafft werden. Außerdem müssen Rentenleistungsverbesserungen für Neu- und Bestandsrentner*innen gelten. Die Grundrente ist ein erster wichtiger Schritt gegen die wachsende Altersarmut, doch lässt die Bundesregierung viele Menschen und gerade die Erwerbsminderungsrentner*innen im Regen stehen. Die Schwächung der gesetzlichen Rente geht auch zulasten der jungen Generation. Daher sind versicherungsfremde Leistungen durch alle Steuerzahlenden zu finanzieren. Dazu gehören beispielsweise die Mütterrente und die abschlagsfreie Rente mit 63. Für eine generationengerechte und armutssichere Altersrente muss die gesetzliche Rente langfristig zu einer Erwerbstätigenversicherung, in die ausnahmslos alle Erwerbstätigen einzahlen, ausgebaut werden.
Wir fordern deshalb:
Bezahlbares Wohnen und Wohnraummangel politisch angehen
Der seit Jahren zunehmende Mangel an verfügbarem und bezahlbarem Wohnraum trifft viele Senior*innen. Die Wohnkosten steigen rasant, die Einkommenssituation im Alter hingegen nicht. Ein Wohnungswechsel, um Kosten zu reduzieren, ist auf dem überhitzten Wohnungsmarkt häufig nicht möglich. Durch Trennung, Verlust der Partner*in oder steigende Kosten für Krankheitsausgaben spitzt sich das Armutsrisiko zu. Der Preisboom ist ungebremst. Das statistische Bundesamt meldete zuletzt einen Anstieg von 6,6 Prozent bei Immobilienpreisen auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt und die Bestände an öffentlich gefördertem Wohnraum sind seit langem nicht mehr ausreichend.
Wir fordern deshalb:
Bildung und Chancengerechtigkeit für alle Kinder
Kinder armer Eltern haben ein vielfach höheres Risiko als ihre Altersgenoss*innen später selbst von Armut betroffen zu sein, oder ganz konkret: Armut wird vererbt. Erwerbslose, Familien mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende und Haushalte mit mehr als drei Kindern sind besonders armutsgefährdet.
Gute Bildung und Chancengerechtigkeit sind der Schlüssel für einen Ausstieg aus der Armutsspirale. Das vielzitierte Aufstiegsversprechen muss eingelöst werden, wenn ein Leben und ein Lebensabend in Armut verhindert werden soll. Doch nach wie vor ist der Bildungserfolg in Deutschland stark von der sozialen Herkunft abhängig. Wir dürfen aber kein Kind zurücklassen!
Wir fordern deshalb:
Gute Arbeit
Auch fünf Jahre nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat Deutschland noch immer einen der größten Niedriglohnsektoren Europas und es gibt immer noch zu viel prekäre Beschäftigung: Minijobs, sachgrundlose Befristungen, unfreiwillige Teilzeitarbeit oder Arbeit auf Abruf, Missbrauch von Leiharbeit, Werkverträgen und Crowdwork erschweren Millionen Menschen eine verlässliche Lebensplanung und berufliche Entwicklung.
Die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen haben deutlich vor Augen geführt, dass prekär Beschäftigte unmittelbar existenziell bedroht sind.
Anerkennung braucht nicht nur Applaus, sondern vor allem eine gute Bezahlung nach Tarif.
Tarifverträge schaffen soziale Sicherheit, Rechtssicherheit und bilden die Gestaltungsgrundlage für Arbeitsbeziehungen. Sie fördern außerdem fairen Wettbewerb und helfen bei der Gewinnung von qualifizierten Fachkräften.
Die Tarifbindung ist weiterhin rückläufig. 2019 waren im Durchschnitt nur 52 Prozent der Beschäftigten in Deutschland in Betrieben mit Tarifvertrag beschäftigt. Auch in Baden-Württemberg lag die Tarifbindung vor zwei Jahren bei nur 52 Prozent und in einzelnen Branchen ist sie noch geringer. Dabei stärkt Tarifbindung die öffentliche Hand, die Sozialkassen und die Kaufkraft in erheblichem Umfang.
Jedes Jahr geben der Bund, die Länder und Kommunen rund 450 Milliarden Euro für die öffentliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen aus. Rund 12 Prozent aller öffentlichen Aufträge werden vom Bund, 30 Prozent von den Ländern und knapp 60 Prozent von den Kommunen vergeben.
Bund und Land müssen die Vergabe öffentlicher Aufträge an gute, tarifliche Bezahlung knüpfen und nicht mit Steuergeldern Lohndumping unterstützen.
Wir fordern deshalb:
Pflege
Pflege Steigende Kosten der Pflege überfordern immer mehr pflegebedürftige Heimbewohner*innen. Denn sie müssen mit den nicht gedeckten pflegebedingten Kosten, den Kosten für Unterkunft und Verpflegung, den Investitionskosten und der Ausbildungsumlage den größten Teil selbst bezahlen, durchschnittlich 2.461 Euro pro Monat in Baden-Württemberg. Das Land Baden-Württemberg könnte in einem ersten Schritt mit dem Wiedereinstieg in die Investitionskostenförderung pflegebedürftige Heimbewohner entlasten. In einem zweiten Schritt ist der Ausbau zur Pflegevollversicherung notwendig, um die steigende finanzielle Überforderung zu verhindern. Hier wird mit dem Sockel-Spitze-Tausch schon ein Modell diskutiert, demzufolge Pflegeheimbewohner*innen einen geringeren Betrag zu zahlen haben (Sockel) und alle weiteren Kosten von der Pflegeversicherung zu bezahlen sind (Spitze). Auch der Vorschlag von Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) auf 700 Euro zu deckeln reicht nicht aus. Aktuell müssten pflegebedürftige Heimbewohner durchschnittlich trotzdem noch über 2.050 Euro in Baden-Württemberg pro Monat bezahlen. Außerdem bedarf es höherer Löhne und besserer Arbeitsbedingungen in der Pflege, doch dürfen steigende Personalkosten nicht einseitig den Pflegebedürftigen aufgebürdet werden. Darüber hinaus gilt es, pflegende Angehörige zu entlasten: Beruf und Pflege müssen besser vereinbar sein. Es braucht zudem eine automatische jährliche Anpassung der Pflegeversicherungsleistungen, um eine bezahlbare und würdevolle Pflege für die steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen zu gewährleisten.
Wir fordern deshalb:
2021-02-09_Stand_Buendnispositionspapier_LTW.pdf
Stuttgart, 3. April 2017
Wir, Sozialverbände, Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche und kirchliche Organisationen in Baden-Württemberg sehen dramatische Verschlechterungen in der Altersversorgung der Menschen in unserem Bundesland auf uns zukommen und haben uns deshalb zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um uns gemeinsam und mit anderen Organisationen und Bündnissen für eine Altersversorgung einzusetzen, die zu einem Leben in Würde reicht. Wir wollen uns dafür stark machen, Armut im Alter im reichen Baden-Württemberg zu verhindern.
Gut ist: Die Themen Rente und Altersversorgung rücken immer mehr in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussionen.
Schlecht ist: Das Rentenniveau aller sinkt, die Renten vieler werden schon in näherer Zukunft nicht mehr ausreichen, um ein Leben in Würde nach einem arbeitsreichen Leben führen zu können. Eine reiche und soziale Gesellschaft darf es nicht länger zulassen, dass Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, in Armut geraten. Überdies hat Armut nicht nur eine ethische Dimension, sie bedeutet auch einen unmittelbaren volkswirtschaftlichen Schaden durch ausfallenden Konsum, erhöhte Krankenkosten und führt zu einer erhöhten Mortalität.
Niedriglohnsektoren, Zeiten der Arbeitslosigkeit, Deregulierungen auf dem Arbeitsmarkt, unsichere Beschäftigungsverhältnisse wie Solo- und Scheinselbstständigkeit, unterbrochene Erwerbsbiografien, Teilzeit für Erziehungs- und Pflegearbeit sind Gründe für Armut im Alter, von denen Frauen besonders häufig betroffen sind. Das abgesenkte Rentenniveau sowie viele weitere Verschlechterungen der gesetzlichen Regelungen in den Sozialversicherungen gefährden die Lebenssituation fast der Hälfte aller zukünftigen Rentnerinnen und Rentner. Ein Wechsel in der Rentenpolitik ist dringend nötig und auch möglich. Die über 125 Jahre alte Rentenversicherung ist eine der größten Errungenschaften unserer Gesellschaft und eine große Erfolgsgeschichte. Ihr Ruf wurde durch die Leistungskürzungen der letzten Jahre gezielt beschädigt. Die Renten sind in den letzten Jahren immer weiter gesunken. Das Rentenniveau ist bereits bei 48 Prozent angekommen und soll und wird weiter sinken. Die gesellschaftliche Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung schwindet aber, wenn sie nicht mehr vor Armut schützt und den Lebensstandard nicht mehr sichert. Sie zu erhalten und zu sichern ist unsere Aufgabe und Ziel. Die gesetzliche Rente soll wieder die Wahrung des Lebensstandards im Alter ermöglichen. Sie muss Armut im Alter verhindern! Wir halten ein Rentenniveau von wenigstens 50 Prozent für erforderlich!
Die private Altersvorsorge, als dritte Säule, sollte die Kürzungen ausgleichen. Die private Altersversorgung hat aber versagt, sie ist im Gegensatz zur gesetzlichen Rente hohen Kapitalmarktrisiken ausgesetzt. Niedrigzinsen, Währungskrisen oder Aktiencrashs führen zu massiven Wertverlusten. Zudem sind die Provisionen und Verwaltungskosten hoch. Die Rendite der meisten privaten Vorsorgeprodukte ist niedriger als die der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die betriebliche Altersversorgung als zweite Säule erreicht leider nur einen Teil der Beschäftigten - 59,5 Prozent. Je nach Wirtschaftsbereich und Unternehmensgröße ist die Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung sehr unterschiedlich. In den meisten Bereichen der Dienstleistungsbranchen und der Privatwirtschaft gibt es dieses Angebot nur in Betrieben mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Die Stärkung des Betriebsrentengesetzes ist deshalb ein wichtiger Schritt. Viele Beschäftigte werden hiervon jedoch nicht erreicht. Gerade auch deswegen brauchen wir dringend einen Kurswechsel in der Rentenpolitik.
Es gibt keinen Verteilungskonflikt zwischen den Jüngeren und den Älteren. Es geht heute um die Rente unserer Kinder und Enkelkinder. Die Rentenversicherung kann zukunftssicher gemacht werden, ohne eine Senkung des Rentenniveaus und ohne weitere Anhebung der Altersgrenzen. Die Konzepte dafür liegen alle auf dem Tisch.
(Zum Beispiel: AWO: „Armutsursachenanalyse“, Caritas: „Situationen und Tendenzen zur Altersarmut“, DGB-Bundesvorstandsbeschluss, DGB-Kampagnenseite www.rente-muss-reichen.de, Beitrag des Landesseniorenrats und Sozialverbandes VdK zum Ersten Armuts- und Reichtumsbericht Baden-Württ., Armutsbericht DER PARITÄTISCHE, VdK-Forderungspapier zur Bundestagswahl, VdK-Positionspapier zur EM-Rente)
Wir begegnen schon jetzt in unserer täglichen Arbeit immer wieder Altersarmut und kennen deren soziale und gesellschaftliche Auswirkungen. Seit Jahren warnen wir vor der Gefahr der wachsenden Altersarmut, die nicht nur eine Ausgrenzung der unmittelbar Betroffenen, sondern auch eine Bedrohung der heute noch beschäftigten Menschen ist. Wenn der Wohlfahrtsstaat versagt, drohen nicht nur soziale Konflikte, sondern auch eine grundsätzliche Legitimationskrise der demokratischen Gesellschaft, deren Vorzeichen bereits heute im Wahlverhalten und der Parteienlandschaft sichtbar sind. Wir sehen es daher als unsere Aufgabe, in Anknüpfung und Ergänzung zu den bereits bestehenden Bündnissen, auf diese weiteren Problemfelder und Herausforderungen hinzuweisen.
Wir setzen uns dafür ein, dass die gesetzliche Rente gestärkt und armutsfest gemacht wird.
Im Jahr der Bundestagswahl wollen wir uns besonders dieses Themas annehmen, um auf die drohenden sozialen Folgen in ihren vielschichtigen Ausprägungen aufmerksam zu machen und gemeinsam für eine starke gesetzliche Rente zu kämpfen, die zu einem Leben in Würde reicht.
Buendnispapier_mit_Unterschriften_Stand%2003.04.17.pdf